Es ist Freitag 12:30 Uhr. Vor mir liegt ein freies Wochenende; ohne Frau und Kinder. Ich scrolle durch meine Instagram-Nachrichten: »Da war doch einer, der vor zwei Monaten fragte, ob er mich für einen Workshop buchen kann.« Ich schreibe ihn an und frage, ob er jetzt! Lust auf ein fotografisches Wochenende im Harz hat.
Ui, mit dir habe ich ja schon gar nicht mehr gerechnet
Er ist Familienvater: daher ist mir klar wie absurd mein Vorschlag ist.
Sächsische Schweiz? Klar, warum nicht! Chris kommt aus Hannover, hat also über 400 km Anreise vor sich. Er ist Polizist und schraubt in seiner Freizeit gern an seinem VW Bulli. Er ist also Bullizist. Während ich diesen schlechten Wortwitz als Schenkelklopfer verbuche, vibriert mein Handy auf selbigem.
Es ist Steve aus Leipzig, ein cooler Typ. Ihn kenne ich vom Landschaftsfotografie-Workshop im Harz, den ich gemeinsam mit Stephan Wiesner veranstaltet habe. Zwei Tage Dauerregen, fiese Sache. Aber jetzt wird alles besser! Ich frage Steve ob er mit ins Elbsandsteingebirge kommen möchte. Möchte er. Nun sind wir schon zu dritt.
Aber FotograFIEREN kommt von Vieren. Darum nehme ich noch Anja mit, eine aufstrebende Fotokünstlerin aus der Nähe von Halle. Damit ist das Team komplett.
Die Challenge: Ein Ferienhaus am Tag der Anreise buchen
Mittlerweile ist es 18:30 Uhr und ich versuche auf Booking.com eine Ferienwohnung für vier Personen zu buchen. Gar nicht so leicht! Das Anreisedatum wird automatisch auf Samstag korrigiert. Hmm. Auf Umwegen buche ich ein privates Ferienhaus in Königstein. Zwei Stunden später ruft mich die Inhaberin verstört an. Sie fragt, ob das mein Ernst sei. Ist es!
»Wann reisen sie denn an?«, fragt sie mich.
»So gegen 23:30 Uhr“, antworte ich.
»Da schlafe ich schon, aber ich schicke meinen Mann rüber.« Gern!
Mittlerweile ist Chris bei mir in Halle angekommen, Anja auch. 21:30 Uhr holen wir Steve aus Leipzig ab. Das Abenteuer beginnt, das Volumen im Kofferraum endet 😉
Zwei Stunden später stehen wir vorm Ferienhaus in Königstein und bekommen die Schlüssel. Wir haben die oberen zwei Etagen für uns. Ganz hübsch, aber zu klein. Kurzerhand buche ich noch die untere Ferienwohnung dazu. Jetzt haben wir das ganze Haus für uns.
Die Planung der Zielfotos
Bevor wir schlafen, planen wir die Zielfotos für den Sonnenaufgang. Ich stelle verschiedene Fotospots der Region vor, die ich auf 500px und aus der dritten Ausgabe vom ZIELFOTO-Magazin recherchiert habe, was übrigens erst im Februar rauskommt 😉 Ich zeige, wie man mit SunCalc den Stand der Sonne simuliert. Wir erarbeiten weitere Details mit PhotoPills und planen die Anreise.
Abfahrt 5:30 Uhr?
Mit einem leichten Stöhnen wird einvernehmlich genickt. Wir beschließen, morgen früh zur Bastei zu fahren.
Tag 1
Sonnenaufgang auf der Bastei
Ja, es ist der klassische Tourispot. Und ja, wir prügeln uns mit 20 weiteren Fotografen auf den Aussichtsplattformen. Aber nach meiner Island-Reise kann mich nichts mehr schocken. Anja interessieren die anderen Fotografen sowieso nicht. Sie legt sich voll ins Zeug.
Gemeinsam mit Chris suche ich einen passenden Standort für unsere Stative. Leider vertrödeln wir dabei viel Zeit.
Das Wetter ist nicht optimal: Blaugrauer Himmel, langweilige Wolkendecke. Nebelschwaden hängen nur sporadisch über dem Tal. Aber eins geht immer: Mensch in Landschaft. Ich wechsle auf 50 mm und positioniere Chris auf einer kleinen Aussichtsplattform.
Mit einem Weitwinkel-Objektiv wäre Chris hier zu klein im Bild. Ein gutes Beispiel, dass man auch mit Normalbrennweiten oder einem Teleobjektiv in der Landschaftsfotografie spannende Bilder machen kann.
Anja und Steve haben es sich in der Zwischenzeit gemütlich gemacht. Ich fotografiere sie heimlich.
Leider ist der Auslöser meiner Nikon D800 lauter als ein Jagdgewehr. Sie entdecken mich und schalten in den Paparazzi-Modus.
Wir erkunden noch ein wenig das Basteigebiet, doch ich habe zunehmend Sorge um mein Auto. Es steht seit zwei Stunden im Parkverbot am Berghotel Bastei.
Bildbesprechung und Bearbeitung
Nach dem Sonnenaufgang und einem guten Frühstück in Bad Schandau, fahren wir zurück ins Ferienhaus. Drei Stunden Bildbesprechung stehen auf dem Programm. Wir importieren alle Fotos auf meinen Rechner, suchen die Top-Aufnahmen raus und ich bearbeite sie.
Hier zeige ich Chris, wie ich in fünf Minuten das Foto »Fotograf bei der Arbeit« in Lightroom entwickle. Ich zeige meinen kompletten Workflow.
In der Zwischenzeit fotografiert Steve Bananenschalen und Bierflaschen, egal was: Hauptsache er hat eine Kamera in der Hand. Zeit also, das Haus zu verlassen.
Sonnenuntergang auf dem Pfaffenstein
Wir fahren zum Pfaffenstein und entscheiden uns gegen den bequemen Rundweg. Wir wählen den steilen 30-minütigen Aufstieg.
Oben angekommen suchen wir die Barbarine, den bekanntesten freistehenden Felsen in der Sächsischen Schweiz. Mittlerweile ist es dunkel geworden und der Weg wird zum Nadelöhr. Leider versagt immer wieder der Handyempfang, die Navigation ist nicht einfach.
Zwar finden wir die Barbarine, Fotos machen wir aber keine. Schwarzer Fels vor bewölktem Himmel? Sinnlos. Wir fahren ins Ferienhaus zurück, kochen Nudeln und lassen den Abend ausklingen. Steve geht wieder seiner Leidenschaft nach und fotografiert wechselseitig Bananenschalen, Bierflaschen und die Schriftzüge der Objektive auf dem Tisch.
Anja hat sich sein 100-400 mm Objektiv ausgeliehen und fotografiert den Vollmond. Jeder ist in seinem Element. Es ist ein netter Abend. Wir alle sind begeistert von der Fotografie und froh, uns austauschen zu können.
Tag 2
Schon wieder Sonnenaufgang auf der Bastei
Wir beschließen erneut zur Bastei zu fahren. Diesmal wollen wir die Wehlnadel als Vordergrund fotografieren. Dort angekommen, blende ich die wunderschöne Landschaft für einen Moment aus. Ich beobachte die anderen beim Fotografieren und sehe die Leidenschaft.
Ich krame mein 50-mm-Objektiv aus dem Rucksack heraus und mache nur noch Making-of-Bilder. Chris lacht. Die Sonnenblende steckt vorbildlich auf seinem Tele. Dass er noch immer die Stirnlampe auf dem Kopf trägt, hat er aber nicht bemerkt 🙂
Bei Steve muss ich mich schon jetzt entschuldigen. Ich würde nie Fotos von Personen in kompromittierten Situationen zeigen. Aber für einen Moment dachte ich, Mr. Bean ist im Elbsandsteingebirge.
Doch es ist Steve, der nur darauf wartet, dass die Sonne hinter den Wolken hervorkommt.
Während er Anja seine Bilder präsentiert, erkläre ich Chris, wie man die Wehlnadel sinnvoll als Panorama aufnimmt.
Fazit
Die Teilnehmer vom Workshop kamen, um sich fotografisch zu verbessern und mir über die Schulter zu schauen. Der wahre Wert eines solchen Workshops liegt aber darin, sein Hobby unter Gleichgesinnten auszuleben; ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Jeder versteht es, wenn der Wecker 5 Uhr klingelt. Jeder teilt die gleiche Leidenschaft. Man kann sich ungestört über Fotografie unterhalten, den ganzen Tag. Nebenbei entstehen viele Making-of-Fotos, auf denen man als Fotograf auch mal selbst im Bild ist.
Was bleibt also übrig, von so einem Wochenende? Die Gewissheit, dass man mit der Fotografie nicht alleine ist.
Mir bereitet dieser Mix aus Workshop & Reise große Freude. Ich werde das zukünftig öfter anbieten. Ganz besonders freut mich das positive Feedback der Teilnehmer. Danke Chris, danke Anja, danke Steve!
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