Wir sind an der Ostsee: in Zingst. Und während die Sonne sanft meinen Nacken streift, denke ich an die Eselsbrücke meiner Tochter aus dem Sachunterricht:
»Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehen, im Norden ist sie nie zu sehen.«
Im Norden ist sie nie zu sehen? Blödsinn. Die Ostsee liegt nördlich vor uns. (Müsste sie nicht eigentlich Nordsee heißen?) Sowohl zum Sonnenaufgang, als auch zum Sonnenuntergang steht hier der hellste Stern am Himmel sichtbar über der Ostsee. Das macht Zingst so interessant.
Damit du für deinen nächsten Ostsee-Urlaub gut vorbereitet bist, gebe ich dir drei Tipps zum Fotografieren beim Sonnenuntergang.
Wichtige Regel: Erwarte nichts, aber sei vorbereitet
Am Tag bleibt die große Kamera zuhause. Das Licht ist langweilig. Der Strand überfüllt. Doch wenn sich der Sonnenuntergang nähert, wird es spannend. Jetzt ist die Situation, in der du vorbereitet sein solltest.
Nimm die Kamera mit zum Strand. Vergiss dein Stativ nicht! Führe den kompletten Objektivfuhrpark aus. Plane frühzeitig wo du fotografieren möchtest. Oftmals ist die Seebrücke der zentrale Spot. Platziere dich je nach Sonnenstand links oder rechts davon. Und dann nimm dir Zeit. Beobachte den Himmel. Setz dich in einen freien Strandkorb. Hier kannst du gut geschützt deine Objektive wechseln.
Und dann versuche, die Situation realistisch einzuschätzen: Pralle Sonne. Kaum Wolken. Der Sonnenuntergang wird wenig spannend.
Klar, es werden hunderte Touristen mit ihren Smartphones Selfies machen. Aber echte Fotografie? Eher Fehlanzeige. Doch wir haben im Urlaub nicht unendlich Zeit; müssen die Situation nehmen wie sie ist.
Lass uns gemeinsam schauen, wie wir das Beste herausholen können.
Tipp Nr. 1: Silhouetten gehen immer
Wenn die Sonne wenige Meter über der Seebrücke steht, sind Silhouetten (eines Tages schaffe ich es, das Wort ohne Rechtschreibkorrektur zu schreiben) ein gutes Stilmittel. Der Schattenriss von Personen; es macht immer Spaß sowas zu fotografieren. Schnapp dir dein Teleobjektiv. Beobachte die Menschen auf der Seebrücke. Und dann drücke im richtigen Moment den Auslöser.
Was macht dieses Foto für mich interessant? Es hat seinen Charme durch die Pose der Frau, die gerade selbst fotografiert wird. Dazu steht die Sonne im goldenen Schnitt und die Romantik wird dadurch verstärkt, dass die Seebrücke völlig leer zu sein scheint (was sie natürlich nicht war).
Interessant wird es auch, wenn Möwen oder andere Vögel ins Bild fliegen. Normalerweise sind die flinken Federn recht schwer zu fotografieren. Doch im Gegenlicht, bei den sehr kurzen Belichtungszeiten und der geschlossenen Blende ist der Fokusbereich faktisch unendlich groß. Jeder Vogel wird dann knackscharf abgebildet. Mit etwas Glück fliegt er als i-Tüpfelchen durchs Bild und gibt die Marschrichtung vor.
Je nach Wolkenstimmung eignet sich auch der mittlere Telebereich ganz gut. Zwischen 50 und 100 mm hat man die Weite der Ostsee gut im Blick. Die Sonne hat eine schöne Größe, man erkennt noch die Umrisse der Menschen und kann mit Licht und Schatten gut spielen.
Tipp Nr. 2: Entscheide dich zwischen Himmel und Vordergrund
Im letzten Foto lag der Horizont sehr mittig. Das ist meist langweilig. Wie kann man es besser machen?
Schau dir zuerst den Himmel an: Sind Wolken zu sehen? Falls ja, besteht die Chance auf einen dramatischen Sonnenuntergang. Der Himmel sollte dann den größten Teil des Bildes einnehmen.
Bleiben wir beim Beispiel von oben: Der Himmel ist langweilig. Die paar Wolken werden keinen explodierenden Sonnenuntergang zaubern.
Mein Tipp: Nimm ein weitwinkliges Objektiv. Konzentriere dich aber auf den Vordergrund. Positioniere dich nah an den Buhnen. Das sind die Holzpfähle im Wasser, die dem Küstenschutz dienen.
Machen wir es konkret: Im Verhältnis von 2/3 möchte ich mit einem spannenden Vordergrund der Langeweile im Himmel mit möglichst viel Dramatik entgegenwirken. Ich positioniere mich leicht schräg zu den Buhnen, damit sie wie ein Pfeil aufs Meer schießen. Ein kleiner psychologischer Trick besteht darin, die führenden Linien clever zu positionieren. Ich achte hier auf die natürliche Leserichtung von uns Menschen: Die Buhnenstaben Buchstaben von links nach rechts.
Im nächsten Schritt suche ich die passende Komposition: Die Seebrücke soll im goldenen Schnitt liegen und die Sonne direkt darüber untergehen. Den letzten Schliff gibt das Meer. Je nach Wind wird es ruhig oder rau sein. In meinem Fall ist Action im Wasser! Bewusst entscheide ich mich für eine kurze Belichtungszeit. Sonst wäre die Ostsee aalglatt und langweilig. Wir brauchen Wellen!
Doch auch hier kommt es auf den richtigen Moment an. Tendenziell ist es spannender, wenn man wartet bis eine Welle den Strand erreicht und sich das Wasser dann zurückzieht. Durch den Sog werden die Buhnen umspült. Dann sollte man auslösen. Ein Mix aus Sanftigkeit und Wassergewalt entsteht.
Ich mag es sehr. Und es vertuscht den trostlosen Himmel, was ja unser Ziel war.
Tipp Nr. 3: Die Sonne clever platzieren
Um die Sonne in den Fokus zu rücken, bietet sich an, sie gezielt im Bild zu platzieren. Zum Beispiel genau auf der Seebrücke, am Ende einer Buhne oder zwischen einem Schild (siehe Beitrag aus Rerik). Kreativität ist gefragt!
In Zingst wollte ich die Sonne gern als i-Punkt auf das Dach der Tauchgondel setzen. Hat leider nicht geklappt! Die Wolken haben die Sonne verschleiert. So wurde es eher eine Fackel.
Plan B war dann sie von hinten durch die Tauchgondel scheinen zu lassen.
Den Sonnenstern habe ich übrigens selbst ins Bild gemalt. Sorry dafür 😉
Fazit
Ich hoffe dieser kleine Einblick war interessant für dich. Versuch gern ein paar Ideen bei deinem nächsten Ostsee-Urlaub umzusetzen. Vielleicht hast du auch weitere Tipps, die du den Lesern mitteilen möchtest. Dann nutze gern die Kommentarfunktion.
3 Kommentare
Hallo Thomas, ich bin nicht neu auf Blogografie, aber heute möchte ich dir einfach mal für die vielen Tipps und Tricks und deine erfrischenden Blickwinkel auf den Fotoalltag danken. Außerdem sitze ich gerade auf gepacktem Koffer und starte gleich Richtung – Zingst. Da war dein neuer Eintrag quasi eine Steilvorlage und ein willkommener Appetizer. Beim Sonnenstern in der Tauchgondel ist mir doch glatt die Kinnlade runtergeklappt – dabei hast du digital geschummelt. Soso 😃 sieht trotzdem wunderschön aus. Mach weiter so – aus Hannover winkt ein stiller aber treuer Leser in deine Richtung. Viele Grüße – Frank 🙋🏻♂️
Hallo Frank,
deinem netten Kommentar gilt mein Dank; einfach-frank.
Ich wünsche dir eine wunderbare Zeit in Zingst, laut Vorhersage wird es attraktives Fotowetter. Sonne und Wolken im Mix.
Dann klappt es vielleicht sogar mit dem echten Sonnenstern 😉
Gruß
Thomas
Lieber Thomas!
Mein Vorschreiben Frank hat so treffend und schön geschrieben! Dem schließe ich mich voll und ganz an. Leider nicht auf gepackten Urlaubskoffern sitzend!
Liebe Grüße Volker