Menschen fotografieren gerne Menschen. Die Kamera liegt hoffnungsvoll in der Hand und dann passiert es: der interne Blitz zündet. Dem Fotograf fehlte die zündende Idee; der Automatikmodus war aktiviert. Die Strafe kommt sofort: rote Augen und totgeblitzte Gesichter. Es ist ein Desaster; Fotos, die keiner von sich haben möchte.
Doch es geht auch anders: besser, schöner und richtig! Für den Einstieg reicht ein günstiger Aufsteckblitz, der von der Kamera entfesselt in einem Lichtformer steckt. Doch wie fängt man an? Welches Zubehör braucht man? Wie baut man das Set auf? Welche Kameraeinstellungen sind notwendig? Wie bearbeitet man die Bilder?
Genau darum geht es im heutigen Blog-Beitrag, der sich an Einsteiger in die Blitzlicht-Fotografie richtet.
Erster Tipp: Macht ein eigenes Projekt
Wie lernt man das Fotografieren von Menschen mit Blitzlicht? Indem man sie fotografiert. Doch wo fängt man an? Ganz einfach: beim Freundeskreis. So bin ich vorgegangen: Ich habe bei Facebook meine Freundschaftsliste durchgeschaut und einige Leute angeschrieben, um zu fragen, ob er oder sie nicht ein schönes neues Profilbild haben möchte. Aus der Idee ist das Projekt Freund des Kreis entstanden, hier ein paar Bilder zur Einstimmung.
Welche Ausrüstung ist dafür notwendig?
1. Die Kamera
Spieglein Spieglein an der Wand, was macht die Vollformatkamera in meiner Hand? Ich verwende die Nikon D800. Blitzlicht-Portraits könnt ihr aber mit jeder Kamera machen.
2. Das Objektiv
Die schweren und teuren Gläser bleiben heute im Schrank. Statt dessen verwende ich eine günstige Festbrennweite: das Nikon AF-S NIKKOR 50 mm 1:1,8G (Affiliate-Link). Ein tolles Objektiv zum kleinen Preis — verfügbar auch für andere Kamera-Systeme.
Warum 50mm? Weil es nahezu 1:1 dem Blickfeld des menschlichen Auges entspricht. Nichts verzerrt, alles wirkt natürlich — eben genau wie es ist. Und darum ging es mir im Projekt Freund des Kreis: Natürlichkeit, Minimalismus, keine Materialschlacht.
Klar; an sich ist 85mm die «optimale» Brennweite für schmeichelhafte Portraits. Aber beim 85er braucht man schon ein paar Meter Abstand zum Motiv, um neben dem Gesicht auch ein wenig vom Körper aufs Bild zu bekommen. Und genau da wird es im klassischen Heimstudio eben oft eng. Mit 85mm stand ich zu oft mit dem Rücken zur Wand und hätte sie gern durchbrochen.
3. Der Blitz
Blitzlicht ist das Kernelement und sollte die einzige Lichtquelle sein. Dafür reicht ein einfacher Aufsteckblitz. Ich verwende den Yongnuo YN-560 Mark III (Affiliate-Link) Systemblitz mit integriertem Funkauslöser. Ein sehr beliebter Blitz. Er bietet viel Leistung für wenig Geld — Kostenpunkt rund 60 EUR: klare Kaufempfehlung.
An dieser Stelle könnt ihr natürlich auch jeden anderen Blitz verwenden. Die Belichtung wird manuell eingestellt. Ihr braucht also keinen teuren Blitz, der mit TTL-Automatik daher kommt.
4. Der Lichtformer
Den nackten Aufsteckblitz auf eine Person richten? Das ist wie ein Schlag ins Gesicht. Um das Blitz-Biest zu bändigen muss ein Lichtformer her. Er spielt eine wichtige Rolle im Set und sorgt für die weiche Verteilung des harten Blitzlichtes. Für wenige Euro kann man z.B. mit einem Durchlichtschirm arbeiten. Für 10-20 EUR erzielt man damit schöne Ergebnisse. Das Licht ist aber schwer kontrollierbar. Ich verwende lieber ein etwas mehr gerichtetes Licht und nehme dazu die 65cm Firefly II Beauty-Softbox (Affiliate-Link).
Den Aufsteckblitz steckt man einfach von hinten in die Softbox. Der Aufbau dauert eine Minute. Die Halterung für den Blitz ist im Lieferumfang enthalten, ebenso wie eine hübsche kleine Tasche. Sie vereinfacht den Transport und passt locker in meinen 35L Rucksack.
Man braucht lediglich ein normales Lampenstativ, um die Softbox zu befestigen. Ein gutes Preis-Leistungsprodukt ist das Walimex Pro FT-8051 (Affiliate-Link) Lampenstativ, für rund 30 EUR.
5. Der Funkauslöser
Um den Blitz auszulösen verwende ich einen Funkauslöser. Da der Yongnuo YN-560 Mark III bereits einen Funkempfänger integriert hat, braucht man lediglich einen Sender zum Auslösen. Er wird auf den Blitzschuh der Kamera gesteckt. Ich verwende seit Jahren den Yongnuo RF-602/N Funkauslöser (Affiliate-Link). Für rund 20 EUR ist hier sogar der Funkempfänger dabei, falls dein Blitz keinen integriert hat. Noch universeller ist der neuere Yongnuo RF603NII (Affiliate-Link). Für rund 30 EUR kann man damit auch die Kamera auslösen, falls Selfies geplant sind.
Alternativ kann man den Blitz in der Softbox auch mit dem kamerainternen Aufklappblitz auslösen. Dazu stellt man den Blitz in der Softbox in den Slave-Modus. Wird der Blitz dann vom internen Aufklappblitz der Kamera angeleuchtet, löst er ebenfalls aus.
Das Heimstudio: Aufbau des Sets
Ein häufiges Problem im Heimstudio ist der Hintergrund. Da ich für mein Projekt Freund des Kreis in den Wohnungen der Teilnehmer fotografiert habe, musste ich auf ein Hintergrundsystem verzichten. (Ich hab sowieso keins.) Das macht die Sache ein wenig schwerer, ist aber keine größere Hürde. Schauen wir uns den Aufbau am Beispiel an. Hier dient ein Kinderzimmer als Studio.
Die Softbox mit dem Blitz wird von oben im 45° Winkel positioniert. Somit entstehen interessante Schatten auf der anderen Gesichtshälfte. Zugegeben: Für Frauen ist dieses Licht-Setup weniger schmeichelhaft, aber da müssen sie durch 😉
Um das Shooting entspannt zu gestalten, wurden die Teilnehmer im Sitzen fotografiert. Die Arme kommen auf die Lehne: alles entspannt, alles gut. Fotografiert wird frontal. Den Gesichtsausdruck bestimmt die jeweilige Situation.
Die Kamera ist per USB-Kabel direkt mit dem Notebook verbunden. Mit der Tether-Aufnahme-Funktion von Adobe Lightroom, kann man die Fotos direkt in den Rechner schießen. Die Bilder können sofort mit dem jeweiligen Teilnehmer bewertet werden. Stimmt der Gesichtsausdruck? Sitzen die Haare? Ist die Blitzintensität korrekt eingestellt? Auf dem großen Monitor lässt sich auch besser erkennen, ob die Aufnahme richtig fokussiert ist. Darüber hinaus wirkt das Shooting professioneller und ein wenig möchte man seine Freunde ja auch beeindrucken 😉
Die Kameraeinstellungen
Kommen wir zu einem wichtigen Punkt: die richtige Einstellung der Kamera.
Schritt 1: Das natürliche Licht ausblenden
Wie bitte? Es ist doch hell im Zimmer. Ja, das macht nichts.
Wir wechseln in den manuellen Modus der Kamera (M). Den ISO-Wert stellt ihr auf den niedrigsten nativen Wert; das garantiert euch die beste Bildqualität. Bei mir ist es ISO 100.
Die Belichtungszeit sollte so kurz wie möglich sein, wir wollen ja das natürliche Licht im Raum loswerden. Aber Achtung: schaut bitte in eurem Handbuch nach, was die kürzeste Blitzsynchronzeit eurer Kamera ist (auch X-Sync genannt). Bei mir sind es 1/250 Sekunden. Pauschal seid ihr mit 1/160 Sekunden auf der sicheren Seite. Es ist wichtig diese Zeit nicht zu unterschreiten, denn sonst bekommt ihr schwarze Balken im Bild. Die Ursache liegt im Schlitzverschluss der Kamera.
Als letztes geht es darum die Blende einzustellen. Ein guter Ausgangswert ist Blende 8. Hier habt ihr genug Schärfentiefe und gleichzeitig wird das Licht der Umgebung minimiert.
Probiert es einfach mal aus und macht mit diesen Einstellungen ein Probefoto. Zunächst ohne Blitz. Hier das Ergebnis:
Perfekt, genau so soll es sein. Das natürliche Licht ist verschwunden. Der Raum ist komplett schwarz.
Schritt 2: Den Blitz dazuschalten
Jetzt schalten wir den Blitz ein und bringen Licht ins Dunkel. Den Zoom des Blitzes stellen wir auf den niedrigsten Wert. Beim Yongnuo sind es 24mm. Damit wird das Blitzlicht also weitwinklig verteilt. Eine gleichmäßige Ausleuchtung der Softbox ist garantiert. Die Blitzleistung habe ich auf 1/8 reduziert, was sich als optimale Einstellung für dieses Set herausgestellt hat. Hier sieht man wieder, dass die Leistung des Blitzes kaum eine Rolle spielt. Sie muss sogar verringert werden, um ein perfekt belichtetes Bild zu erhalten.
Machen wir also eine weitere Aufnahme. Diesmal mit Blitz und Person im Bild. Da ich gerade niemanden zum Fotografieren habe, nehme ich selbst Platz und mache ein Selfie.
Okay. Soweit so gut. Die Belichtung vom Gesicht ist korrekt. Heller muss es nicht sein, zumal ‚heller‘ auch mehr Blitzlicht auf dem Hintergrund bedeutet. Wie man sieht, sieht man dennoch einiges vom Kinderzimmer. Aber das lösen wir in der Nachbearbeitung.
Die Bildbearbeitung
Ich fotografiere im RAW-Format, um mehr Potential für die Nachbearbeitung zu haben. Die Bildentwicklung muss ich daher manuelle durchführen. Sprich: alles was sonst die Kamera erledigt, um ein JPEG-Bild zu erzeugen, müssen wir per Software nachstellen. Dabei spreche ich vom Weißabgleich, Kontrast, der Sättigung und Schärfe im Bild.
Software zur Entwicklung von RAW-Dateien gibt es von verschiedenen Herstellern. Ich arbeite mit Adobe Lightroom. Im Wesentlichen sind hier nur die Grundeinstellungen notwendig. Ein wenig mehr Kontrast, Lichter etwas nach unten, Tiefen nach oben. Für die Männerportraits ein wenig Klarheit. Die Schwarz-Weiß-Konvertierung ist mit einem Klick ebenfalls durchgeführt.
Mit Hilfe eines radialen Verlaufsfilters in Adobe Lightroom habe ich dann noch den Hintergrund abgedunkelt. Dazu wird eine kreisrunde Auswahl um das Gesicht gezogen. Die Belichtung außerhalb dieses Kreises kann dann so lange reduziert werden, bis alles nahezu schwarz wird. Anschließend folgt ein wenig Hautretusche. Die Augen werden minimal aufgehellt, das Bild etwas begradigt und zugeschnitten. Hier und da noch eine Portion Dodge and Burn. Fertig ist die finale Version.
Die Automatisierung
Um den Bildlook über alle Aufnahmen zu erhalten, sollte der gesamte Prozess dokumentiert und automatisiert werden. Ich habe mir die Einstellungen der Kamera notiert und die RAW-Entwicklung in Lightroom als Vorgabe gespeichert. Hier kannst du sie herunterladen:
Um Rücksicht auf die Haut der weiblichen Teilnehmer zu nehmen, habe ich zusätzlich eine Vorgabe für die Frauen erstellt. Hier steht der Klarheitsregler bei 0%. Die Falten der Frauen — falls vorhanden — sollte man nur mit Vorsicht betonen 😉
Fazit
Stimmungsvolle Portraits lassen sich auch im Wohn- oder Kinderzimmer erstellen. Es reicht ein einfacher Aufsteckblitz, wenn er in einem passenden Lichtformer platziert wird. Probier es einfach aus und du wirst sehen: es ist ganz einfach. Für Fragen stehe ich gern zur Verfügung. Ich wünsche DIR viel Spaß bei der Umsetzung deiner Blitzlicht-Projekte.
16 Kommentare
Kurz und knackig!! so liebe ich das.
Alles was ich hier gelesen habe kann ich so nur unterschreiben.
Wer so vorgeht hat viel Spaß mit dr Blitzerrei und wird sehr schnell gute Ergebnisse erzielen., auch in Bezug auf die verwendete Ausrüstung.
Danke für diesen für diesen Bericht.
Herzliche Grüße aus Frankfurt
Peter
Super geile Bilder. Genau so liebe ich es.
Genialer Bericht, du hast genau die Fragen beantwortet, die ich wissen wollte… Besser geht es nicht 🙂 Werde ich zuhause mal ausprobieren.
Endlich eine übersichtliche Beschreibung – danke
Wie positionierst du den Blitz in der Softbox? Also gerade gerichtet frontal? Sorry bin absoluter Anfänger und versuche mich gerade beim entfesselt Blitzen 😀 Grüße Jessica
Hallo Jessica,
ja genau, der Blitz kommt frontal in die Softbox, er blitzt also mitten rein. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen ersten Versuchen 🙂
Toll und einfach zusammengefasst, das hilft mir enorm für ein kleines Projekt. Herzlichen Dank!
Hallo Marc,
freut mich dass dieser alte Artikel noch immer als Inspiration genutzt wird.
Viel Erfolg bei der Umsetzung deines Projekts 🙂
Hallo Thomas,
welche Distanz zwischen Softbox und Fotomodell würdest du empfehlen? (oder ists eher ein Herantasten und „Spielen“ mit der Blitzstärke und Distanz?)
Lg Stefan
Hallo Stefan,
die Softbox stand etwa eine Armlänge entfernt. Je näher desto weicher das Licht. Es gibt hier aber kein richtig oder falsch. Probier es einfach mal aus 🙂
Gruß
Thomas
Eine wirklich gelungene Beschreibung. Vielen Dank. Sobald ich die neue Kamera bekomme, werde ich das Projekt für mich in Angriff nehmen.
Hallo Felix,
bei der Umsetzung wünsche ich dir viel Freude. Du wirst dabei wertvolle Erinnerungen festhalten. Solche Projekte, bzw. deren Ergebnisse bekommen im zeitlichen Abstand einen noch viel höheren Stellenwert, als zur direkten Ausführung gedacht. Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
Viel Erfolg! Und wenn du Fragen hast, melde dich gern.
Gruß
Thomas
Hallo,
tolles Tutorial. Mich würde noch interessieren, wie genau du den Hintergrund dunkel bekommst. Da ist die Rede von Verlaufsfilter etc… könntest du das evtl. etwas genauer beschreiben? Wäre nett!!!
Grüße Hannah
Hallo Hannah,
danke für dein Feedback. Mit dem Verlaufsfilter war kein Steck- oder Schraubfilter am Objektiv gemeint — sorry, das war nicht eindeutig genau beschrieben. Es geht hier in der Tat um den radialen Verlaufsfilters in Adobe Lightroom! Habe ich soeben im Text auch ergänzt.
Mit diesem „Werkzeug“ in Lightroom kann man eine kreisförmige Auswahl erstellen, die ich um das Gesicht gezogen habe. Die Belichtung außerhalb des Kreises kann dann so lange reduziert werden, bis in dem Fall der Hintergrund schwarz wird.
Du siehst das Ergebnis, wenn du dir mein Preset dazu runterlädst. Den Filter gibt es natürlich auch in anderen Bildbearbeitungsprogrammen.
Viele Erfolg!
Gruß
Thomas
Eine sehr schöne Beschreibung, danke dafür. Eine Frage habe ich aber… wenn ich das natürliche Licht ausblende, wie kann ich dann noch fokussieren??? Also gerade mit Augen AF z. B.
Oder stehe ich auf dem Schlauch?
Hallo Max,
das natürliche Licht wird in erster Linie durch die geschlossene Blende und kurze Belichtungszeit ausgeblendet. Den Autofokus stört das nicht. Er greift bevor das Foto geschossen wird und nutzt stets die Offenblende, um den Fokus bestmöglich zu treffen. Da der Raum nicht komplett dunkel ist, geht das problemlos: sowohl mit einer DSLR, als auch den neuen spiegellosen Kameras mit Augenautofokus. Probier es einfach mal aus!
Gruß
Thomas