Sommer, Sonne, Sonnenschein? Weit gefehlt. Es ist Ende August; und bereits Herbst. Heute zeigt er sich von seiner schlechten Seite. Es ist 03:58 Uhr, als ich vergeblich versuche den Wecker zu snoozen. Doch es ist nicht der Vibrationsalarm vom Handy. Es sind die Regentropfen, die unverkennbar aufs Fensterbrett vom Astlhof prasseln.
Zur Gasselhöhe (2.001 m) wandern und dort den Sonnenaufgang fotografieren? War der Plan. Macht das Sinn? Vermutlich nicht. Geh ich trotzdem los? Auf jeden Fall! Dieser Blogbeitrag ist der verzweifelte Versuch eines Familienvaters Fotografs, in drei Wochen Alpen-Urlaub wenigstens ein kleines, ein klitzekleines Mikroabenteuer zu erleben. Davon möchte ich euch heute erzählen.
Mit dem Auto auf die Reiteralm
Da der Betrieb der Seilbahn erst ab 8:45 Uhr startet, als Fotograf kennt man das Leid, nehm ich die Mautstraße zur Reiteralm. 33 min Fahrt. Kurzer Prozess.
Wer in der Region Schladming-Dachstein übernachtet, kann die Mautstraße mit der Sommercard kostenfrei passieren. Ansonsten werden 6 EUR pro Person fällig. Günstiger als Seilbahn. Vor Sonnenaufgang ist die Mauthütterl unbesetzt. Durchfahren kann man trotzdem jederzeit.
Kurvenreich geht es nach oben. Erst Asphalt. Später Schotterpiste. Auf den letzten Metern musste ich an die Familie denken, die hier Anfang der Woche vor mir fuhr und sich durch die spitzen Steine den Hinterreifen zerschossen hat. Ziemlich ärgerlich. Vor allem wenn der Ersatzreifen zugunsten von mehr Gepäck zu Hause bleiben musste. Hab ich überhaupt einen Ersatzreifen? Nö. Bin ich beruhigt? Ja. Denn ich komme unversehrt am Ende der Mautstraße an. Einem Parkplatz unterhalb der Reiteralm.
Leider Sichtweite nur 10 Meter. Temperatur 6,5 Grad. Nieselregel. Hochsommer? Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Immerhin ist das kein Nebel, es sind Wolken. Glaube ich zumindest.
Wandern zur Gasselhöhe
Mit dem Öffnen der Tür werden die bisher theoretischen Wetterparameter fühlbar. Mütze, Schal und Handschuhe; hätte ich gern dabei gehabt. Aber wer sowas einpackt, zweifelt schon daheim am Sommer. Zumindest die Stirnlampe sitzt straff am Kopf. Licht an. Wo muss ich eigentlich lang?
Ich kann die Schilder kaum lesen. Alles blendet. Doch anders als im Harz hat man in Österreich auch mitten in den Alpen ein vernünftiges Mobilfunknetz. Nur knapp 2 km sind es bis zur Gasselhöhe. Eine einfache Tour, dafür mit großartigem Blick auf das Dachsteinmassiv und die Radstädter Tauern. Hat man mir zumindest versprochen.
Kaum sind die ersten 15min rum, schon setzt die Dämmerung ein. Die Sichtweite erhöht sich ein wenig. Und dann: »klingel«, »klingel, klingel«. Es ist nicht mein Handy. Sondern Weidevieh, mitten auf dem Wanderweg vor mir. Ich gebe zu, dass ich immer Respekt davor habe. Mit 10 Sekunden Belichtungszeit mache ich ein Handyfoto, um zu checken was da vor mir rumsteht.
Sieht nach einer großen Herde aus. Ich schalte die Stirnlampe aus und nähere mich zaghaft. Es sind zum Glück nur Schafe 🙂 Die »schafe« ich. Husch vorbei. »Määäähh«
Nur noch 30 min bis zur Gasselhöhe.
Mittlerweile ist es kurz vor 6 Uhr. Die Goldene Graue Stunde beginnt. Doch kein Grund zur Eile. Zwar geht 6:15 Uhr die Sonne auf, aber ja. Was soll da aufgehen.
Die letzten Meter zum Gipfel kommen ein wenig felsig daher. Mit eingelassenen Metallstufen. Sie sind nass und rutschig.
Die taghelle und klare Belichtung vom iPhone trügt an dieser Stelle. Die Realität, also die versprochene 360-Grad-Aussicht am Gipfel ist, naja […]
Die Gasselhöhe in grauen Wolken
Tja. Was nun? Abstieg? Aufgeben? Oder warten? Vielleicht passiert noch ein Wunder. Erstmal ne Weile am Gipfelkreuz abhängen.
Zumindest sagt mir PhotoPills, wo die Sonne steht. Das macht Mut.
Wobei. Mut. Schon irgendwie doof alles. Weitere 30 Minuten sind vergangen. Es wird eher schlechter als besser.
Doch dann ziehen die Wolken plötzlich auf. Schnell löse ich das Stativ vom Rucksack und schnalle das Tele auf, was ich sonst eigentlich nie benutze 🙂
Heute macht es Sinn! Ich suche mir ein paar markante Felsen raus und drücke ab.
Und während ich die Gipfel bestaune, wird sogar der weitere Verlauf des Wanderwegs sichtbar. Noch recht minimalistisch, aber die Hoffnung auf das ein oder andere brauchbare Foto steigt.
Über den Wolken fotografieren
Nach und nach wird die Sicht immer klarer. Vor meinen Augen entstehen wunderschöne Desktop-Hintergründe für den Computer. Jedenfalls war es meine erste Assoziation zu dieser Landschaft.
Ich starte die Drohne um mir die bizarre Stimmung von weiter oben anzuschauen.
Viel eindrücklicher sind die Aufnahmen als Video. Hier ein kleiner Ausschnitt, auch wenn ich weiß, dass ihr lieber Texte lesen wollt:
Eine Aussicht, die man so nicht alle Tage hat. Plötzlich macht das Fotografieren wieder Sinn. »Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.« Wobei. Exakt hier oben verläuft die Grenze zwischen Salzburg und der Steiermark. Und während ich dem Wanderweg weiter folge, ziehen die natürlichen Grenzen wieder auf.
Höher, schneller, heiter? Nein. Tiefer. Denn da reißen die Wolken wieder auf.
Die Lichtstimmung ändert sich im Sekundentakt. Motive tauchen wie Glücksmomente auf.
Die Bilder sind im Kasten! Zwar nicht so wie ich ursprünglich geplant hatte, aber letztlich besser als erwartet.
8:15 Uhr entscheide ich mich zum Abstieg. Schließlich möchte ich noch rechtzeitig mit der Familie am Frühstückstisch sitzen. Tageslicht sei dank, geht der Abstieg super flink. Nur 20 Minuten von der Gasselhöhe bis zur Seilbahnstation. Von dort noch 5 min bis zum Auto: und ab zurück ins echte Familienleben.
Fazit
Netter Versuch. Ich komme wieder. Eines Tages möchte ich den vollen Weitblick von der Gasselhöhe genießen. So wie ihn die Google-Bildersuche suggeriert hat.
Freut mich, dass du bis zum Schluss mit dem Lesen durchgehalten hast. Die weiteren Aussichten? Heiter bis wolkig 🙂
2 Kommentare
Und am Ende geht es gar nicht so sehr um das Foto, sondern vielmehr um das, was man auf dem Weg dahin erlebt. Auf jeden Fall ist es eine schöne Geschichte, die du immer wieder erzählen kannst. Musste bei dem Nebel daran denken, dass mich Baby im Moment in aller Herrgottsfrühe nach draußen zwingt, weil es in der Trage beim Spaziergehen eben am besten schlafen kann. Dabei kam auch schon das ein oder andere Nebelbild bei Sonnenaufgang bei rum, was dann für den Schlafmangel entschädigt. 😀 freut mich auf jeden Fall nach wie vor, neue Blogbeiträge von Dir zu lesen!
Die Babytrage haben wir zum Glück schon ein paar Jahre hinter uns gelassen. Aber ja, wichtig ist dass Beste aus der Zeit zu machen. Sonnenaufgang bietet sich bei Schlafmangel immer an.
In diesem Sinne: Halte durch. Und schön zu wissen, dass es dich als Stammleser noch gibt. Dachte schon, mein Blog wäre in der Schnelligkeit des Internets komplett untergegangen …