Die Kamera liegt tief im Rucksack, die Motivation noch ein Stück tiefer. Es ist Sonntag und ich weiß wieder nicht wohin. Am Ende entstehen nur Schnappschüsse. Doch es gibt sie, die Fotos, wo zufällig alles gepasst hat. Wie bei einem Lucky-Punch. Wenn Du aber wissen möchtest, wie Du zu reproduzierbaren und viel viel, ich wiederhole: viiiiiel besseren Ergebnissen kommst, dann lies bitte weiter.
Es war für mich die Erkenntnis der letzten Jahre. Die tollen Bilder der anderen Fotografen entstehen nicht durch Zufall. Auch nicht, weil sie die besseren Kameras haben. Es ist die Planung, sie ist das A und O. Der Profi überlässt nichts dem Zufall. Er geht nicht einfach los und sagt »hey, jetzt fotografiere ich mal«.
Doch wie plant man Fotos? Wie findet man passende Fotospots? Zu welcher Zeit fährt man hin? Welche Bild-Komposition ist die richtige? Diese Fragen klären wir gleich.
1 Wie finde ich einen tollen Fotospot?
Suchen ist einfach, finden leider nicht. Die erste Lektion lautet: werde dir bewusst, WAS Du eigentlich suchst. »Epischer Sonnenaufgang« ist ein spannender Suchbegriff, bringt Dich aber nicht weiter. Die Frage ist WO Du ihn findest. Ich möchte hier keine Weisheiten rumsülzen, sondern dir an einem konkreten Beispiel zeigen, wie ich vorgehe.
1.1 Die Planung mit Google Maps
Im Mai war ich auf der zweitgrößten Insel Italiens. Während du jetzt überlegst, welche das eigentlich ist, gebe ich schon »Sardinien« bei Google Maps ein 😉 Da ich nicht 200 km über die Insel fahren kann will, wähle ich die Zoomstufe der Karte so, dass mein Hotel mittig plaziert ist und alle Orte im Umkreis von ca. 50 km angezeigt werden. Dann öffne ich die Fotoansicht. Dazu klicke ich unten rechts (neben dem Streetview-Symbol) auf »Bilder anzeigen«. Es öffnet sich der Tab »Erkunden« und ich gehe die Bilder durch.
Gefällt mir ein Foto, fahre ich mit der Maus darüber. Google Maps zeigt mir dann den genauen Aufnahmeort an. Der Strand »Porto Istana« sieht interessant aus. Ich lege ein virtuelles Lineal auf die Karte und stelle fest: das ist nur 2 km vom Hotel entfernt.
1.2 Inspiration bei 500px
Mit dieser Groborientierung geht es in die Detailplanung. Mich interessiert vor allem, wie andere Fotografen diesen Spot gesehen haben. Ich nutze gern 500px, eine Plattform für Fotografen, die durch ein intelligentes Bewertungssystem stets Top-Aufnahmen präsentiert. Wobei das natürlich immer Geschmackssache ist. Statt Google Maps kannst du natürlich auch direkt bei 500px starten. Viele Fotografen verlinken den Standort ihrer Fotos in der Karte.
Bleiben wir beim Beispiel: Ich gebe also »Porto Istana« ein und stelle die Sortierung auf »Puls» (Standard ist »Relevanz«). So sehe ich die besten Aufnahmen an erster Stelle. Ich überlege mir, ob dieser Fotospot einen Besuch wert ist und was ich fotografisch anders machen würde.
2 Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Fotografieren?
Ich fotografiere überwiegend Landschaften. Der Studioblitz heißt bei mir Sonne, mit dem Nachteil, dass ich die Intensität und Richtung nicht ändern kann. Ich muss also genau planen. Da ich mit der Familie reise, beschließe ich, mich auf den Sonnenaufgang zu konzentrieren. So kann ich mich ungestört der Fotografie widmen, während der Rest der Familie noch schläft.
2.1 WANN und WO geht die Sonne auf?
Ich nutze die App Photopills, um zu sehen, wann die Sonne aufgeht. Gleiches könnte man mit dem Mond und der Milchstraße machen.
Wichtig ist die Frage, WANN die Sonne WO steht. Tools gibt es viele, ich nutze die Webseite suncalc.net und wähle wieder den Strand »Porto Istana« aus. Jetzt sehe ich, wo die Sonne zu welcher Uhrzeit steht. In diesem Schritt geht es mir darum, einen ersten Eindruck zu bekommen. Aus welcher Richtung die Sonne aufgeht ist nicht trivial, Osten ist eine zu pauschale Antwort. Passt der Standort für mich, und das ist hier der Fall, gehe ich in die Detailplanung.
Habe ich keine Möglichkeit, den Spot vorher zu besichtigen, dann nutze ich die 3D-Ansicht in Google Earth und plane von zuhause aus. Ich schaue mir in einer virtuellen Geländeansicht an, wo die Sonne aufgeht.
Mit der Entwicklung von VR-Brillen wird diese Form der Planung immer interessanter. Andy Grabo hat in seinem aktuellen YouTube-Video gezeigt, wie er seine VR-Brille zum Location Scouting mit Google Earth VR verwendet. Sehr spannend alles.
2.2 Wo stelle ich mein Stativ auf?
In den meisten Fällen besichtige ich den Fotospot vorab. Ich schaue mir in aller Ruhe die Bedingungen vor Ort an. Das erleichtert später vieles. Früh im Stress, latend müde, in der Dämmerung, bist du weniger entspannt. Die Zeit tickt: Wo parke ich das Auto? Wo stelle ich mein Stativ auf? Was ist die beste Bildkomposition?
Ich mache es so: Ich gehe ein Tag vorher zum Fotospot und nehme mein Smartphone mit. Hier suche ich zuerst nach einem passenden Vordergrund. Ist der gefunden, nutze ich wieder die App Photopills. Mit Hilfe der AR-Ansicht sehe ich genau, wann die Sonne wo steht. Ich mache eine Screenshot, um ihn am Abend im Hotel erneut zu analysieren.
Seit ich meine Sony RX100 M3 besitze (Link zum Testbericht), kommt auch sie mit zum Location Scouting. Ich mache einige Testfotos, die ich später am Rechner auswerte. Der Zoombereich von 24-70 mm ist ideal, um mit verschiedenen Brennweiten zu experimentieren. So weiß ich bereits vorher, welches Objektiv ich am nächsten Tag wirklich mitschleppen muss.
Falls eine Besichtigung vor Ort nicht möglich ist, helfen die EXIF-Daten der Fotos (wenn vorhanden) auf 500px. Hier kannst du sehen, mit welchen Brennweiten gearbeitet wurde. Oft lohnt sich auch eine Suche nach dem Fotospot auf YouTube. In Zeiten, wo jeder zweite Fotograf mit einer Drohne fliegt, kann man sich auch solche Luftaufnahmen für die Planung zu nutze machen.
Das finale Foto erstellen
Das eigentliche Fotografieren ist jetzt nur noch das Abarbeiten der Planungsergebnisse. Mein Zielfoto habe ich im Kopf und zusätzlich auf dem Smartphone gespeichert. Exakt an dieser Stelle baue ich mein Stativ auf und bin rechtzeitig vor Sonnenaufgang da. Ich nutze erneut die AR-Ansicht von PhotoPills, um den Stand der Sonne im Auge zu haben. So läuft alles nach Plan.
Fazit
Landschaftsfotografie ist technisch sehr einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, zur richtigen Zeit, beim richtigen Wetter, am richtigen Ort zu stehen. Die Planung ist kein Hexenwerk, sie macht aber den Unterschied zwischen gut und sehr gut aus. Apropos Wetter, davon war in diesem Beitrag gar nicht die Rede. Stimmt! Darum sieht mein Foto auch eher langweilig aus. Es fehlen die Wolken. Auf das Thema Wetterplanung gehe ich später ausführlich ein, wiederkommen lohnt sich also.
5 Kommentare
Hey Thomas, ein guter Beitrag, danke dafür. Vieles kannte ich einige Details waren neu. Es gefällt mir, dass Du die Infos teilst, danke.
Grüße Niels
Unterhaltsam geschrieben und wieder was gelernt!
Hallo Thomas,ein guter Bericht…mir geht es auch oft so,das ich mich frage, „was“ möchtest du „wo“ fotografieren..
Deshalb,vielen Dank für die wertvollen Tipps
Lg aus Frankfurt
Klaus
[…] Fotolocations. Den folgenden Tipp zu Google Maps haben wir auch erst bei der Recherche auf blogografie.de entdeckt, aber da er so praktisch ist, werden wir ihn nun auch öfter in unsere Trips mit […]
Es freut mich, dass der mittlerweile fast 5 Jahre alte Blogbeitrag noch immer seine Relevanz und Leser findet. Danke fürs Verlinken 🙂