Nikon hat die Katze aus dem Sack gelassen: Die D850 ist da. Doch der Dolch steckt tief im Rücken: 3.799 EUR! Eine Menge Holz Magnesiumlegierung. Lohnt es sich so tief ins Sparschwein zu greifen? Werden die eigenen Fotos mit einer neuen Kamera wirklich besser? Wie kann eine neue Kamera motivieren?
Ein persönlicher Rückblick
Vor fünf Jahren hieß die Nikon D850 noch D800; und ich wollte sie unbedingt haben! So viele Sehnsüchte habe ich in das vollformatige Flaggschiff projiziert. Im Vergleich zu meiner alten D90 sollte sich ALLES um Welten verbessern.
Sehnsüchte nach neuen Kameras sind menschlich
»Wow, tolle Bilder, du hast bestimmt eine teure Kamera«. Solche Sprüche kennt jeder Fotograf. Gerade Einsteiger, und Leute, die nie eingestiegen sind, meinen solche Aussagen wörtlich. Doch wenn sie dann mit ihren teuren Töpfen und Messern in der Küche stehen, schmeckt das Essen trotzdem nicht wie bei Jamie Oliver.
Aber die Begehrlichkeit ist da: Alles was unvernünftig ist, hat seinen Reiz. Bei der D850 ist es nicht anders. Fünfundvierzig Komma Sieben Megapixel? Mehr Kreuzsensoren als es Kreuze in der ansässigen Kirche gibt? Braucht man eine solche Kamera wirklich?
Wie war das bei mir und der Nikon D800?
Mein Gehalt als Informatiker ist sehr gut. Dennoch war die Anschaffung der D800 damals eine Überwindung. Stell dir vor ein Bleistift kostet 200 EUR. Du könntest ihn dir leisten, aber bist du wirklich bereit, so viel Geld auf den Tisch zu legen?
Ich habe mir den Kauf der D800 daher an ein konkretes Ziel geknüpft. Ich war in einer schwierigen Phase, steckte mitten in meiner Dissertation. Die Tage waren immer gleich. 8-17 Uhr in die Bibliothek. Früh der Erste im Lesesaal. Dann nach Hause zur Familie, die Kinder ins Bett. 21 Uhr ging es zur zweiten Schicht.
Die aktuelle Forschungsliteratur stets bei mir: lesen, schreiben, jede Zeile 10 Mal neu formulieren. Täglich bis 01:00 Uhr nachts, dann fuhr die letzte Straßenbahn nach Hause.
Das Ziel stets vor Augen, den Nikon-Laden auch
Genau an der Haltestelle der Bibliothek war der Laden vom Nikon-Händler. Mehr als 500 Abende habe ich vor dem vergitterten Schaufenster gestanden und die Nikon D800 »angehimmelt«. Vorfreude, schönste Freude.
Den Traum erfüllen
2014 war es dann soweit. Die Dissertation war fertig und meine Frau hat mir die Nikon D800 geschenkt. Es war ein wahnsinniges Gefühl sie auszupacken, also die Nikon 😉
Doch was hat es wirklich gebracht? Aus fotografischer Sicht eher wenig. Die Qualität der Bilder hat sich vielleicht um 5% gesteigert. Nicht viel, aber es fällt mir dennoch auf. Es ist wie im Leistungssport, wo die letzte Zehntelsekunde auf 400 m Freistil den Unterschied macht.
Braucht man nun Kameras wie die D850?
Die Bildqualität wird nicht in dem Maße steigen, wie es auf dem Konto geblutet hat. Aber wenn man sich ernsthaft mit der Fotografie beschäftigt, viel Zeit in die Planung und Umsetzung seiner Bilder investiert, sollte die Kamera kein limitierender Faktor sein. Ob man die D850 wirklich braucht, muss jeder für sich entscheiden. Mit einer Vollformat-Kamera steigen die Preise für die Objektive, das Gewicht und die Größe massiv an. Für mich hat es sich mehr und mehr zum Nachteil erwiesen. Heute fotografiere ich überwiegend mit meiner kleinen Sony RX100 M3. Für die besonderen Fotos nehme ich aber nach wie vor die Nikon D800.
Es klingt sicher ein wenig schnulzig: Aber abseits der rationalen Entscheidung ist eine so teure Kamera vor allem ein emotionales Gut. Man fotografiert mit einer D850 anders, als mit einer günstigen Consumer-Kamera. Man spürt die Wertigkeit im Bedienkonzept. Alles fühlt sich erwachsen an, es macht einfach Spaß. Meine D800 fasse ich auch heute noch gern an und streichle sie fast täglich.
Also gönnt euch was! Seid unvernünftig. Die Nikon D850 ist eine großartige Kamera.
Kaufen werde ich sie trotzdem nicht. Abgesehen vom Klappdisplay bietet sie mir für meine Art der Fotografie keinen erkennbaren Mehrwert zu meiner D800. Meine Ehefrau verlasse ich ja auch nicht, nur weil ein junges Ding mit besser trainierten Waden daherkommt 🙂
6 Kommentare
War das jetzt eine Kamera Beratung oder ein Beziehungsratgeber? 😉 Wie immer sehr unterhaltsam geschrieben!!
Eine berechtigte Frage, Christian. Die Antwort überlasse ich der freien Interpretation meiner Leser. Beziehungsratgeber gefällt mir aber 🙂
Dann werde ich deine Artikel im Zukunft noch genauer lesen, wenn du über Schärfe, Haptik und Rauschverhalten schreibst 😉
Meine Studienarbeit habe ich hauptsächlich von zu Hause geschrieben. Dadurch kam ich zum Glück nicht jeden Tag an einem Fotogeschäft vorbei. 😉
Lange mit dem Gedanken gespielt mir eine DSLR zu kaufen hatte ich auch. Und dann kam meine Tochter. Da war klar, wenn die Bilder nichts werden, dann sollte es nicht an der Kamera gelegen haben. 😉 Die Erste war eine 600D und ich habe sie sehr gerne benutzt. Ungefähr 4 Jahre später habe ich dann auf die 70D gewechselt. Die Bildqualität selbst war auch nicht ausschlaggebend. Aber ein paar Ausstattungsmerkmale. Und wie Du schon schriebst, ein emotionaler Aufstieg. Letztlich hat einer Verbesserung meiner Bilder dadurch aber nur indirekt stattgefunden. Durch intensiveres Lernen und Üben. Trotzdem ist der Weg noch weit.
Ich war immer glücklich mit meiner D800, fünf Jahre lang. Dann kam die D850 und das Habenwollen. Kurz und Gut, ich habe sie mir angelacht. Bessere Bilder macht sie nicht, aber ich bin happy mit ihr. Den Ausschlag gab eigentlich das Klappdisplay und die stille Auslösung. Die D800 habe ich dann nach 2 Monaten verkauft.
Hallo Frank,
danke für deine ehrliche Einschätzung. Nicht viele würden zugeben, dass sich der Umstieg auf die neue Kamera bildtechnisch kaum gelohnt hat. Letztlich zählt aber die Freude und die Liebe zum Detail. Ich teile deine Einschätzung: Das Klappdisplay vermisse ich an meiner D800 ebenfalls. Aber so lange sie nicht kaputt geht, bin ich nicht bereit dafür 3800 EUR zu verbrennen: #geizIstGeil 😛