Du bist (bald) im Berchtesgadener Land und fragst dich, was du fotografieren solltest?
Dann geht es dir vielleicht wie mir: Ich bin Familienvater. Meine Zeit zum Fotografieren ist begrenzt. Sie konkurriert zwischen »Ich bring noch schnell die Kinder ins Bett« und dem nahenden Sonnenuntergang. Wenn ich dann los darf, ist die Fahrt zum Fotospot so entspannt wie der Weg zur Arbeit in einer japanischen Großmetropole. Es geht um jede Minute! Ich habe keine Zeit für die Suche nach einem passenden Motiv. Ich habe nicht mal Zeit mich zu fragen, ob Berchtesgaden hochdeutsch nicht Berg-des-Garten heißen müsste. Ich bin getrieben vom Erfolgsdruck (#ironie). Ich möchte einer Handvoll Instagram-Followern zeigen was für ein unfassbar guter Fotograf ich bin 😉
Was liegt da näher, als einfach die Top-Fotospots im Berchtesgadener Land abzuklappern. Du kennst sie sicher (alle) aus den sozialen Netzwerken: tausendfach fotografiert, abgedroschen; aber geil. Also nimm sie doch mit, wenn du in der Nähe bist. Du brauchst dich dafür nicht schämen. Meine Top-5-Fotospots stelle ich dir in diesem Beitrag »kurz« vor. (Sorry, meine Beiträge sind nie kurz)
Fotospot 1: Das Bootshaus am Obersee
Ein echter Klassiker liegt am Obersee: Es ist das wohl am meisten fotografierte Bootshaus der Welt. Da ich im Frühling da war, habe ich es durch die Blume fotografiert. Der Fokus liegt mit Absicht auf den Blüten, weil ich das Bootshaus schon viel zu oft gesehen habe. Und eigentlich hasse ich ja solche ausgelutschten Fotospots, was ich in diesem Blogbeitrag aber niemals zugeben würde 😉
Wie kommt man zum Obersee?
Der Obersee liegt idyllisch eingebettet am südlichen Ende des Königssees. Und eingebettet ist hier wörtlich gemeint, denn zu Fuß kommt man nicht wirklich hin. Es sei denn der Weg ist das Ziel. Dann musst du eine anspruchsvolle, 10-stündige Wanderung über die Berge in Kauf nehmen. Und auch wieder zurück, denn Übernachtungsmöglichkeiten gibt es am Obersee leider keine, weder auf der Saletalm noch der Fischunkelalm.
Im Winter kann man Glück haben. Etwa alle 10 Jahre ist der Königssee gefroren (zuletzt 2006). Dann kann man gemütlich über den Königssee zum Obersee wandern.
Ansonsten bleibt die Bootsfahrt die einzige Option. Sie dauert 55 Minuten und kostet 18,50 € pro Person. Leider sind die Fahrtzeiten abseits der spannenden Lichtverhältnisse. Mit dem ersten Boot des Sommerfahrplans erreicht man erst gegen 9 Uhr die Endstation Salet (Achtung: Salet wird in der Regel von Mitte Oktober bis Mitte April nicht angefahren). Ab Salet läuft man gemütliche 10 Minuten zum Obersee und erreicht direkt das Bootshaus. Leider viel zu spät für den Sonnenaufgang. Das letzte Boot geht zwischen 17-18 Uhr zurück, was wiederum zu früh für den Sonnenuntergang ist.
Für durchgeknallte Fotografen wie mich wäre die Notrettung noch eine Option. Verpasst man das letzte Boot, kann man sich für 250 EUR abholen lassen. Es kommt dann ein extra Boot, was bis zu 25 Personen mitnimmt. Also lasst euch als Gruppe retten, dann ist es preislich fast schon ein guter Deal 😉
Fotospot 2: Der Hintersee bei Ramsau
Wer gern in Gesellschaft fotografiert, für den ist der Hintersee bei Ramsau der perfekte Ort. Zum Sonnenuntergang tummeln sich hier massenhaft Fotografen am Ufer und ruinieren sich gegenseitig das Foto, weil das verrücken der Stative im Wasser jede Spiegelung zur echten Herausforderung macht. Selbst an einem völlig grauen Morgen habe ich hier um 5 Uhr (nach dem Männertag!) zwei Fotografen getroffen. Grüße an Mathias und den netten Kollegen aus Israel, der sein Hotel direkt am Hintersee gebucht hat. Eine kurze Anreise ist Gold wert! Leider hat er in Hintersee (Österreich) gebucht, eine gute Autostunde entfernt. Es darf gelacht werden 🙂
Der Hintersee ist ein wirklich schöner Spot zum Sonnenaufgang. Dann scheint die Sonne von links über die flachen Berge ins Bild und strahlt die Steine im Wasser seitlich an. Dazu noch Nebel und das Foto ist perfekt: War mir leider nicht gegönnt 🙁 Alternativ geht auch der Sonnenuntergang, wobei die Sonne durch die hohen Berge deutlich eher verschwindet. Hier muss man entsprechend zeitig vor Sonnenuntergang vor Ort sein. Nichts für Väter, die Ihre Kinder ins Bett bringen müssen wollen.
Für mein Zielfoto war ich in der Nacht unterwegs, weil mir bisher noch keine Milchstraßen-Fotos vom Hintersee über den Instagram-Feed gerollt sind. Die Idee hatte Steven, der mir auf Instagram folgt. Er hat zufällig in meiner Story gesehen hat, dass ich im Berchtesgadener Land unterwegs bin und mich angeschrieben. Also haben wir uns 2 Uhr am Hintersee getroffen, mit lichtstarken Objektiven bewaffnet.
Übrigens: Die Szenerie ist erstaunlich groß und selbst mit meinem 20-mm-Ultraweitwinkel konnte ich nicht alles in einem Foto einfangen. Das Bild oben ist als Panorama aus 16 Einzelaufnahmen entstanden. Perfekt ist das Foto leider nicht. Für die Milchstraße über dem See hätte ich noch eine separate Fokusebene gebraucht, aber hinterher ist man immer schlauer. Darum heißt er ja auch Hintersee 😉
So richtig milchstraßentauglich ist der Spot ohnehin nicht. Die Berge sind verdammt hoch und das Zentrum der Milchstraße war in dieser Zeit (Mai 2018) dahinter verdeckt. Noch dazu ist die Uferpromenade überraschend hell beleuchtet. Die grellen LEDs sorgen dafür, dass die Bäume hellgrün leuchten. Man hätte das „Problem“ natürlich mit einer getrennten Belichtung zwischen Vordergrund und Hintergrund lösen können, aber die Faulheit hat gesiegt. Außerdem ist grün die Farbe der Hoffnung 🙂
Fotospot 3: Die Pfarrkirche St. Sebastian in Ramsau
Wer keine Lust auf Seen hat, findet im Berchtesgadener Land eine Vielzahl hübscher Kirchen und Kapellen. Wo ist da eigentlich der Unterschied?
Wer auf dem Rückweg vom Hintersee ist und nach Berchtesgaden fährt, kommt in Ramsau vorbei. Die Pfarrkirche St. Sebastian ist ein typisches Postkartenmotiv. Man sieht sie überall. *gähn*. Verzweiflungsbedingt habe ich dennoch angehalten und das Motiv mitgenommen, weil ich vergeblich zum Sonnenaufgang am Hintersee war: ohne Sonne und Nebel. Leider sieht man die Berge hinter der Kirche nicht, die normalerweise das Panorama perfekt machen würden. Wie war das mit grün, der Farbe der Hoffnung?
Die Idylle trübt übrigens. So einsam wie es auf dem Foto aussieht, steht die Kirche nicht in der Landschaft. Der Effekt entsteht durch den tiefen Kamerastandpunkt an der Ramsauer Ache. In Wirklichkeit liegt die Pfarrkirche St. Sebastian direkt an der Hauptstraße, umgeben von Häusern, ausgebauten Wegen und Brücken. Das Making-of-Bild aus der Drohnenperspektive deckt den Schwindel gnadenlos auf.
Fotospot 4: Die Kirchleitn Kapelle in Berchtesgaden
Wer beim Lesen noch nicht KAPELLIERT hat – und bei dem schlechten Wortwitz noch immer bei Laune ist – für den geht es weiter mit der Kirchleitn Kapelle oberhalb von Berchtesgaden (Am Lockstein 1). Es gibt einen kleinen Schotterparkplatz direkt vor der Kapelle, allerdings ist die Straße nur für Anlieger frei. Ich weiß immer nicht, ob Fotografieren ein wirkliches Anliegen ist. Geht also lieber zu Fuß rauf.
In den Blick »über die Schulter« der Kirchleitn Kapelle habe ich mich sofort verliebt. Man blickt direkt auf den Watzmann, was für ein fantastischer Gebirgsstock. Ich liebe ihn. Um mir ein besseres Bild zu machen (wörtlich gemeint), war ich zunächst mit meiner Familie vor Ort und hatte „zufällig“ meine Sony RX100 dabei.
Mein Zielfoto sollte aber zum Sonnenuntergang stattfinden: mit dramatischem Himmel, der wieder so rot glühen sollte, wie die letzten 2 Tage, an denen ich den Sonnenuntergang nur durchs Badfenster beobachtet habe, während ich meiner Tochter die Haare geföhnt habe 😉
Heute sollte alles anders werden! Ich war rechtzeitig vor Ort, mit der Nikon D800 auf dem Stativ. Und es wurde auch alles anders, nämlich ohne Wolken und ohne echten Sonnenuntergang. Ich bin ein echter Pechbird.
Ohne Wolken rettet aber meist die blaue Stunde, dachte ich mir. Leider ist die Kapelle aber nur von der linken Seiten (zur Stadt) beleuchtet. Das ist ein wenig schade und treibt das Gesamtbild eher in die Mittelmäßigkeit. Gemacht habe ich es trotzdem. Besser wäre gewesen, noch ein paar Meter zurück zu gehen und stattdessen mit einer längeren Brennweite zu arbeiten, damit der Watzmann ein wenig näher rückt. Aber gut […]
Fotospot 5: Die Wallfahrtskirche Maria Gern
Wer von Kirchen und Kapellen noch immer nicht genug bekommt, der sollte unbedingt nach Maria Gern zur Wallfahrskirche fahren. Den Weg findet ihr problemlos bei Google Maps. Zum Sonnenuntergang glühen hier oft die Gipfel rund um den Watzmann (zweihöchster Berg Deutschlands). Aber wie schon gesagt: für mich sind Sonnenuntergänge im Urlaub immer schwer erreichbar. Aber die blaue Stunde bietet sich an. Besonders wenn man ein paar Leuchtspuren der Autoscheinwerfen im Bild hat.
Ich hatte mich hier von einem Foto von Robin K. Photography inspirieren lassen. Leider sorgen die belaubten Bäume im Frühling aber dafür, dass das Lichtband unterbrochen wird. Das klappt im Herbst oder Winter deutlich besser.
Für dieses Foto bin ich übrigens selbst ins Auto gestiegen. Wichtig ist, das man eher mittig bzw. links fährt. Hält man sich an die Verkehrsregeln (*gähn*) und fährt rechts, ist die Lichtspur deutlich unspannender, weil sie wie ein dünner Faden über der Leitplanke klebt.
Deutlich verbreiteter ist die Version mit roten Rückleuchte, die ich natürlich auch gemacht habe. Aber die Frontscheinwerfer bilden für mich den unaufdringlicheren Gesamtkontrast zur weißen Kirche. Obwohl das Timing mit dem Selbstauslöser deutlich schwerer ist, weil man erst aus dem Bild fahren muss, um dann passgenau wieder einzufahren. Ich habe laut mitgezählt, 28-29-30, um aus dem Bild zu fahren, (Serienfoto mit 3 Aufnahmen), dann 30 Sekunden gewartet, um anschließend wieder ins Bild reinzufahren.
Im Luftbild sieht man übrigens den Grund, warum die Kirche immer links am Bildrand platziert wird. Direkt daneben befindet sich ein Gasthaus und die Freiwillige Feuerwehr. Zudem parken oft Autos direkt vor der Wallfahrtskirche. Wie unromantisch.
Man sieht auch gut, dass das Gebirge um den Watzmann deutlich weiter weg ist, als es mein finales Foto vermuten lässt. Grund ist die Kompression durch das leichte Tele. In diesem Fall also lieber mit > 50 mm fotografieren und weiter weggehen.
Und sonst so?
Und wenn dir alles zu abgedroschen ist, dann werde kreativ und suche dir eigene Fotospots. So wie hier in Schönau am Königssee, als mich nachts 1 Uhr meine Frau aus Angst weckte: »Ich kann nicht schlafen, es ist so schrecklich dunkel draußen«. Während ich versuche Mitleid zu entwickeln, frage ich sie: »Zu dunkel? Sind Wolken am Himmel zu sehen?«. Dann schaue ich aus dem Fenster: keine Wolken! Ich nehme sofort meine Kamera und ziehe mich an. Zwei Minuten später fotografiere ich die Milchstraße vor unserem Ferienhaus. Die Beziehung mit einem Hobbyfotograf ist für jede Ehefrau eine echte Bereicherung 🙂
Und wer sich jetzt noch fragt, was denn nun der Unterschied zwischen einer Kirche und eine Kapelle ist, dem sei gesagt. Eine Kapelle ist ein Kirchengebäude, das im Vergleich zu einer normalen Kirche keinen eigenen Pastor hat. Also ähnlich wie eine Systemkamera, die auch ohne Spiegel gute Bilder macht 😉
In diesem Sinne: viel Spaß beim Fotografieren im Berchtesgadener Land. Und vergiss nicht bei all den abgedroschenen Fotospots ein wenig Kreativität einfließen zu lassen.
13 Kommentare
Hi Thomas, super Beitrag! War auch erst vor ein paar Wochen in Berchtesgaden. Ich empfehle, wenn man schon eine Bootsfahrt über den Königssee macht, auch noch ein Foto vom Boot aus mit Boot und Kulisse zu schießen. Gerade vor Bartholomä, denn sonst wird es schwierig, die bekannte Kirche abzulichten. Und ich mag den Zauberwald am Hintersee 🙂 Ansonsten: ich habe auch alle erwähnten Spots abgeklappert. Irgendwie muss sie doch mal jeder fotografiert haben!? 😉
Hallo Niklas,
Fotos aus dem Boot habe ich natürlich auch geschossen, sehr schön 🙂 Im Zauberwald waren wir auch, der ist wirklich bezaubernd! Gut für „Über-die-Schulter“-Fotos eignet sich auch der Malerwinkel mit Blick auf den Königssee und auch Blick vom Kehlsteinhaus hinab.
Es gibt einfach zu viele schöne Spots, aber ich wollte ganz bewusst mal nur die besonders abgedroschenen vorstellen :-p
Das ist dir auch wirklich gelungen ^^ es sind halt die Fotospots, die schon irgendwie jeder irgendwo mal gesehen hat. Trotzdem ist das Bootshaus, v.a. aber der Hintersee ein absolutes must-have für mich 🙂
Beim Kehlsteinhaus war ich nicht, beim Malerwinkel bin ich unten an den See gekraxelt, um ein paar Steine für den Vordergrund zu haben 🙂 Als
nächste Tour steht dann das Elbsandsteingebirge bei mir an 😉
Ins Elbsandsteingebirge von Freiburg aus? >700 km Anreise, sehr sportlich! Du hast wohl das ZIELFOTO-Magazin gelesen 😉
Viel Spaß wünsche ich Dir und vor allem Nebel 🙂
Exakt – das hat Lust auf mehr gemacht. Und auch auf den Harz 😉
Ob ich beides kombiniere und wie ich es umsetze, steht aber noch in den Sternen – und auf dem Programm für nächstes Jahr 😉 Bis dahin heißt es noch viel lesen und planen, um die Spots perfekt zu kombinieren!
Hallo Thomas,
super Artikel, ich bin gerade in Ruhpolding und habe bis auf den Obersee alles im Kasten. Morgen ist letzter Tag und da geht’s ab zum Königssee. Hoffentlich lässt mich das Wetter nicht im Stich! Danke für die vielen Tipps – kann die Angaben nur bestätigen und allen empfehlen, hier vorbei zu schauen.
Das freut mich Werner. Dann hoffen wir, dass das Wetter auf deiner Seite ist und der angekündigte Regen ausbleibt. Wir hatten die ganzen letzte Woche jeden Tag Regen und Gewitter in der Wetterapp: Vor Ort war aber Sonnenschein und Hochsommer. Ideales Wetter für Familienurlaub, nur bedingt perfektes Wetter für Wolken/Nebel-Fotografen 😉
Und pass bei der Bezahlung am Königssee auf: Bei mir wurde die Überfahrt nach Salet 2x von der Kreditkarte gebucht^^
Auf die Fahrt werden wir verzichten, da wir einen Hund dabei haben und ich sie nicht mit dem aufgezwungenen Maulkorb “quälen“ möchte. Bootshäuser gibt’s auch bei uns in der Gegend – z. B. am Ammersee. VG Werner
Sehr amüsanter, interessanter und inspirierender Beitrag!
Danke Bernd!
Schöner Artikel. Als Familienvater wird das Fotografieren auf Reisen oftmals zum Stressereignis – kenne ich auch nur allzu gut. 😉
LG
Andreas
Es beruhigt mich sehr, dass ich mit den „Problemen“ nicht alleine bin 🙂
Hi Thomas, schöner Artikel mit wunderbaren Bildern und schönen Beschreibungen. Ja, Berchtesgaden ist geil! Auch wenn die Spots abgedroschen sind. Ich finde du hast die Kapellen sehr schön abgelichtet, vor allem die kleine Kapelle mit den gelben Gänseblümchen gefällt mir super. Danke übrigens für die Erwähnung! Ich freue mich immer wieder, wenn ich Leute inspirieren kann!