Schloss oder Burg? Beides! Heute möchte ich dir Schloss Rammelburg vorstellen, was sich im goldenen Herbst von seiner besten Seite präsentiert. Wenn du mehr über das Schloss aus erster Hand erfahren möchtest und mir bei der Planung meiner Fotos über die Schulter schauen willst, bist du hier genau richtig. Folge mir auf ein kleines Fotoabenteuer in den Südharz.
Schloss Rammelburg: Die Fotoplanung
Viele Jahre war der Weg auf der B242 meine Standardroute in den Harz. Kurz nach Saurasen — so heißt der kleine Ort — taucht Schloss Rammelburg auf der linken Seite auf. Idyllisch, mitten in den bewaldeten Bergen. Oft habe ich am Parkplatz vom Hotel »Rammelburg Blick« angehalten und mir das Schloss aus der Ferne angeschaut. Doch für mehr als »kurz mal das Teleobjektiv auf die Kamera schnallen« hat es nie gereicht. Das soll sich heute ändern.
Unterhalb der Rammelburg liegt der zugehörige Schlossteich. Zumindest ist er in Google Maps eingezeichnet. Er hat mein Interesse geweckt, weil ich aus dieser Perspektive noch keine Bilder auf Instagram & Co gefunden habe. Nun kreisen die Gedanken in mir: Ein Schlossteich. Mit Spiegelung vom Schloss Rammelburg. Dazu Herbstlaub. Vielleicht Nebel, Schwäne oder sonstiger Kitsch.
Ein kurzer Blick in die PhotoPills-App zeigt: Sonnenaufgang scheint hier perfekt zu sein, weil sie direkt über dem Schloss aufgeht.
Auf dem Satellitenfoto ist erkennbar, das eine kleine Straße zum Schlossteich führt. Jedoch gekreuzt durch Bahngleise, die offen lassen, ob man hier wirklich langfahren kann. Finden wir er heraus.
Zeitig aufstehen lohnt sich
Endlich ist es soweit. Sanft vibriert meine Uhr am Handgelenk. Ein dezenter Wecker; der dafür sorgt, dass nur ich wach werde, der Rest der Familie aber weiterschlafen kann. Die Fotografie ist in den letzten Monaten viel zu kurz gekommen. Um so mehr bin ich aufgeregt, dass sich heute endlich die Chance dazu bietet. Tag der Deutschen Einheit. An einem Montag. Wie praktisch. Seit 2 Uhr liege ich wach, nur um nachzuschauen wann es endlich 5:30 Uhr ist, um aufstehen zu können. Sonnenaufgang 07:13 Uhr. Humane Zeiten. Doch eine Stunde Fahrt liegt noch vor mir.
Anreise zum Schlossteich
Vor Ort angekommen, gilt es zunächst die Lage zu erkunden. Wenige Meter hinter den Bahngleisen ist ein breiter Schotterparkplatz. Zufällig parkt hier ein selbst ausgebauter VW Bulli. Ziemlich klamm, mit beschlagenen Scheiben und einem alten Wasserkanister vor der Tür. Vanlife im Realife. Ganz anders als auf Instagram. Doch zurück zum Thema.
Die kleine Straße zum Schlossteich geht man am besten zu Fuß. Am Teich sind mehrere kleine Wochenendhäuschen, aber keine Parkplätze.
Überhaupt; wirkt hier alles wie im Dornröschenschlaf. Keine Menschen in Sicht. Die Häuser sind direkt ans Wasser gebaut, scheinen aber nicht bewohnt zu sein. Das Ufer vom Schlossteich ist zugewuchert. Voller Pflanzen. Schwierige Lage, für die favorisierte Perspektive aus Schloss und Teich. Dazu müsste man die Privatgrundstücke betreten, die aber umzäunt sind.
Nur das erste Haus bietet freien Zugang zum See. Wobei »frei« hier klar in Anführungszeichen stehen muss. Obwohl kein Zaun vorhanden ist, liegt der Zugang zum Schlossteich dennoch mitten auf dem Grundstück.
Was nun? Zurück gehen? Dann war die Fahrt umsonst! Das Grundstück ohne Erlaubnis betreten? Schwierig. Aber gut. Ein Landschaftsfotograf am scheinbaren Ende der Harzwelt. An einem alten Haus, zum Feiertag. Niemand zu sehen. Riskieren wir es einfach.
Nach wenigen Sekunden stehe ich am Schlossteich. Er hat leider kaum Wasser und ist am Ufer stark verschlammt. Dennoch bietet er einen schönen Blick auf Schloss Rammelburg. Doch ein kurzer Blick in die AR-View von PhotoPills verrät, dass die Sonne erst in gut zwei Stunden über dem Schloss auftauchen wird.
Was also tun, wenn man zu tief steht, um den geplanten Sonnenaufgang zu fotografieren? Man verkrümelt sich und startet die Drohne. Genau das machen wir jetzt.
Schloss Rammelburg aus der Luft
Über eine selbstgebaute, morsch-wirkende Brücke gelange ich über den kleinen Fluss, die Wipper.
Hier liegt eine herrliche Wiese, oder besser gesagt eine Weidefläche. Mit freier Sicht auf das Schloss! Keine Bäume im Weg. Die Drohne steigt auf, senkrecht nach oben …
… und trifft auf die ersten Sonnenstrahlen. Ich strahle ebenfalls 🙂
Mit dem Rücken zur Sonne, besser gesagt der Drohne, fotografiere ich über den Schlosshof. Auf der rechten Seite sieht man den Teich und die Wiese auf der ich stehe. Der Herbst ist noch nicht in seiner vollen Pracht, aber dennoch schon bunt gemischt.
Fotografieren am Schlossteich
Nach gut 25min ist der Akku meiner DJI Air 2s erschöpft. Die Bilder sind im Kasten. Zeit an den Schlossteich zurückzukehren. Ein paar »echte« Fotos mit der großen Kamera müssen schon noch sein.
Also wieder aufs Grundstück. Logisch. Doch beim Aufbauen vom Stativ bemerke ich, dass Licht im Haus brennt. Ich positioniere mich direkt am Ufer. Versinke mit den Schuhen fast bis zum Knöchel im Schlamm und verstecke mich hinter einem Baum. Ein schnelles Foto und dann weg. So war der Plan. Der nicht aufgegangen ist.
Plötzlich steht ein Mann hinter mir. Unklare Lage. Was ich auf seinem Grundstück mache, möchte er wissen. Er vermutet einen Holzdieb, oder schlimmeres. Doch Freundlichkeit siegt. Und so kommen wir ins Gespräch. Eine ganze Stunde erzählt er seine Geschichte; und die ist eng mit Schloss Rammelburg verbunden.
Er hat früher als Techniker auf dem Schloss gearbeitet, seit 1981 um genau zu sein. Berufs- und Privatleben sind in dieser Zeit so eng verschmolzen, dass er sogar im Schloss gewohnt hat. Das dritte der kleinen Dachfenster links, was offen steht; betont er, war sein Zimmer.
Das Schloss war damals ein Rehabilitätszentrum für Jugendliche mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Ende 1995 wurde die Einrichtung geschlossen. Er musste das Schloss verlassen und wohnt seither unterhalb der Rammelburg. Das Grundstück hat er von der Treuhand gepachtet, für 365 € pro Jahr. Er hat als Einziger das Wohnrecht erteilt bekommen. Die Stromleitungen musste er selbst legen. Wasser bezieht er über einen Brunnen. Nebenbei kümmert er sich um seine 14 Pferde. Echtes Abenteuer.
Der Schlossteich selbst wurde nach der Wende »für 25.000 an einen Wessi verkauft, der dachte, er könne darauf Motorboot fahren«, erzählt er. Doch zwischenzeitlich ist der Teich vertrocknet. Kein Wunder, bei einer maximalen Wassertiefe von 1,5m. Sogar Fußball wurde darauf gespielt. Doch früher, so erzählt er, gab es eine kleine Insel im Teich, mit Ruderbooten und Schwänen. Hey, das erinnert mich sofort an meine Gedanken zur kitschigen Fotoplanung.
Doch das Schloss ist dem Verfall gewidmet. Die letzten Besitzer, es waren Künstler, haben das Schloss für 750.000 € erworben und einiges investiert. Dann war das Geld alle. Für die nötige Sanierung des Daches wären rund 15 Mio fällig, so schätzt er. Angeblich wollte sogar Thomas Gottschalk das Schloss kaufen, hat es aber nicht bekommen, aufgrund ungeklärter Besitzverhältnisse.
Die Inneneinrichtung des Schlosses wurde in der Zwischenzeit quer durchs Land verstreut, sogar die Turmglocke wurde gestohlen. Sie war den Dieben aber zu schwer zum Tragen, deshalb wurde sie ins Tal gerollt. Während ich an meiner Kamera rumfummele, um noch ein paar Bilder zu schießen, erzählt mir der gute Herr, dass er die Turmglocke dann gefunden und wieder zurück aufs Schloss gebracht hat. Sogar die Turmuhr reparierte er, als symbolisches Wiedererwachen vom Schloss. Leider muss die Uhr alle zwei Tage manuell aufgezogen werden, was daran scheitert, das niemand, auch er nicht, das Schloss betreten darf. Es ist abgeriegelt, umgeben von Stacheldraht. Ein verlassener Schatz, mitten im Südharz.
Doch trotz der ersten Sonnenstrahlen gelingt es mir nicht, mein geplantes Foto zu schießen.
Ich müsste viel näher ans Wasser heran, um eine Spiegelung vom Schloss Rammelburg ins Bild zu holen. Doch dann würde ich tief im Schlamm versinken. Der niedrige Wasserstand kommt übrigens daher, dass der Zulauf von der Wipper mit Laub und Baumstämmen blockiert ist. Doch darum will er sich kümmern: »Das nächste Mal, wenn Sie wiederkommen, ist der Teich wieder voll«. Klingt nach einem Deal! Ob denn sonst keine Leute vorbeikommen, wollte ich wissen. Da erinnert er sich: »Doch! Einmal war sogar ein echter Fotograf da. Der saß den ganzen Tag am Ufer und hat Eisvögel fotografiert«. Sogar Essen hat er für ihn gekocht. Toller Service.
Und Essen ist ein gutes Stichwort. Es ist bald 9 Uhr. Zeit für den Heimweg. Die Familie wartet am Frühstückstisch.
Fazit
Schloss Rammelburg ist ein Fotospot mit Potential. Für Drohnenaufnahmen ein sehr dankbares Motiv, gerade im Herbst, wo das Schloss im gefärbten Mischwald eingebettet ist.
Für die ganz bequemen Fotografen lässt es sich mit dem Teleobjektiv am Hotel »Rammelburg Blick« direkt an der Bundesstraße fotografieren. Aber Achtung, ein klassisches 70-200mm reicht hier nicht aus. Es muss schon ein wenig mehr sein. Auf den Sonnenauf- oder -untergang braucht man von dieser Perspektive aber nicht spekulieren, denn man schaut Richtung Süden. Noch dazu ist das Schloss nicht beleuchtet, was es für die Blaue Stunde oder Nachtaufnahmen wenig attraktiv macht.
Insofern ist die gezeigte Perspektive vom Schlossteich schon interessanter, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, vor allem mit mehr Wasser im Teich. Ich werde dem Motiv definitiv eine zweite Chance geben. Bei meiner Rückkehr werde ich dem Besitzer des Grundstücks dann ein entwickeltes Foto von Schloss Rammelburg in den Briefkasten werfen, mit besten Grüßen eines »echten« Fotografen?
4 Kommentare
Danke Thomas,
ich lese deinen Blog seit geraumer Zeit mit großem Vergnügen. Immer interessant, humorvoll und gar nicht sooo lang. Außerdem kann ich mich gut in deinem Spagat zwischen liebevoller Familienvater und abenteuerlustiger Fotograf (oder konsequenter Hobbyläufer) wiederfinden. Hoffe, dir gelingt es weiterhin, die Prioritäten auszubalancieren. Ähnlich unterhaltsame Begegnungen hab ich auch erlebt. Man treibt sich zu Zeiten und an Orten herum, wo man ohne die Fotografie nicht gelandet wäre.
Beste Grüße!
Karsten
Hi Karsten!
seit geraumer Zeit? Du bist doch ein Leser der ersten Stunde und hast schon 2017 die ersten Kommentare hinterlassen 🙂
Freut mich, dass wir in ähnlicher Situation stecken und du dich in den Texten wiederfindest. Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben.
Wir lesen uns im nächsten Beitrag, danke für dein Feedback.
Gruß (vom Hobbyläufer, laut Garmin bin ich in den letzten 14 Tagen 44,3km gerannt. Läuft 🙂
Thomas
Ich muss zu geben: es liest sich gar nicht so schlecht ohne einen deiner charakteristischen Wortwitze in jedem Satz. 😛
Ein toller Bericht. Ich musste sofort an die unzähligen YouTube-Videos zum Thema: wie gehe ich mit anderen Menschen um, wie fotografiere ich Street etc. denken und dachte mir: wenn man freundlich und aufgeschlossen ist, kriegt man selten Schwierigkeiten. Man siehe das Gespräch, in das du verwickelt worden bist. Einziges Risiko: solche Gespräche können auch mal länger werden als es einem selbst beliebt. 😀
Freut mich, dass du wieder Zeit gefunden hast, zu fotografieren und raus zu kommen. Der Herbst lockt sehr. Vor allem, weil die Blätter ja tatsächlich mal herbstlich werden und nicht nur vertrocknet sind. Zumindest bei uns in der Gegend. Drücke die Daumen, dass sich noch mehr Motive und Ideen ergeben.
Liebe Grüße
Daniel
Hallo Daniel,
ja stimmt, am Wortwitz hat es gestern Abend gemangelt. Sorry. Ich war müde, hab sogar das Gürteltier vergessen einzubauen; und sicher fallen mir noch ein paar weitere Ausreden ein. Aber wozu rechtfertigen: Ich war einfach »recht fertig« gestern 🙂
Verlinken wollte ich noch eine interessante Homepage mit weiteren Hintergrundinfos: schlossrammelburg.de
Alles weitere klären wir in den folgenden Blogbeiträgen. Ich hab noch ein weiteres Schloss auf Lager, was ich letzte Woche im Harz besucht habe.
#stay tuned