Als Betreiber eines Foto-Blogs erhalte ich hin und wieder Anfragen für Auftragsarbeiten. Einige haben einen sehr persönlichen Charakter. Doch wie läuft sowas ab? Welche Herausforderungen gilt es zu lösen? Genau darum geht es im heutigen Blogbeitrag: An einem konkreten Beispiel zeige ich euch alles: Die Anfrage, die Planung, den fotografischen Teil und die Bildbearbeitung. Legen wir los?
Die Anfrage
Lieber Thomas,
auf der Suche nach einem meiner Hallenser Lieblingsmotive, dem Ziffernblatt der Hauptpostuhr am Curie Platz, bin ich auf Dein Blog gestoßen. Du hast wahrlich schöne Bilder gemacht. Eventuell auch ein schönes Bild des Ziffernblatts? Ich bin schon sehr lange auf der Suche nach diesem, ich habe während meines Studiums am Curie Platz gewohnt und dabei jeden Tag auf die Uhr gesehen.
Ich freue mich sehr auf eine Antwort.
Herzliche Grüße aus Köln
Gabriele
Die Uhr der Hauptpost? Ich wohne fünf Minuten entfernt; aber das Ziffernblatt ist mir noch nie aufgefallen. Ein Foto habe ich nicht. Was soll daran spannend sein? Ich frage nach und bekomme schnell eine Antwort:
Ich fand die Uhr immer aufgrund der goldenen Sternzeichen auf dem blauen Untergrund so schön. Und in vielen für mich bedeutenden Momenten hat sie mich begleitet, ob morgens einfach nur zur Vorlesung, oder viel wichtiger zur Prüfung, oder schnell zum Hbf den Zug nach Werni erwischen, oder das eine oder andere Date 😉 Die letzten Jahre träumte ich immer davon, die Uhr als Wanduhr nachzubilden und mir dann hinzuhängen. D.h. auf das Foto noch goldene Zeiger drauf. Aber ein tolles Foto wäre der Kracher.
Was meinst Du, ist das schaffbar?
Challenge accepted!
Ich google nach »Hauptpostuhr Halle« und finde ein Beispielfoto.
Jetzt geht es um die Details. Ich frage Gabriele, aus welcher Perspektive, in welchem Format und wann ich das Foto aufnehmen soll. Sonnenaufgang? Sonnenuntergang? Eine Nachtaufnahme? Es ist mir wichtig, das Ziffernblatt so abzubilden wie sie es früher wahrgenommen hat.
Erst jetzt bei der Betrachtung der Uhr auf dem Link, den Du mir geschickt hast, bemerke ich, dass das Ziffernblatt auf einem quadratischen Hintergrund liegt und eingerahmt ist. Das war mir nie bewusst. Dadurch wirkt die Uhr noch plastischer bzw. massiver, als nur der runde Ausschnitt. Ggf. sieht es auf dem Foto mit ein wenig Mauerwerk noch besser aus. D.h. quadratisch sollte das Foto sein. Und eine gerade Perspektive auf das Ziffernblatt, was sicherlich der Knackpunkt des Ganzen ist. Als Tageszeit wuerde ich mir spontan einen freundlichen, sonnigen Tag wuenschen, so dass das Gold und das Blau richtig rauskommen.
Die Planung
Die richtige Jahreszeit
Die Anfrage von Gabriele kam im Januar. Von sonnigen Tagen keine Spur. Zudem befindet sich die Sonne – wenn sie denn scheinen würde – im Winter stets hinter dem Gebäude. Die gewünschte frontal glänzende Ausleuchtung ist zu dieser Zeit nicht möglich.
Aber Gabriele ist geduldig. Ich vertröste sie um ein paar Monate, bis der Frühling startet. Dann dreht sich die Sonne und scheint perfekt auf das Gebäude.
Und heute passt alles! Der Wetterbericht verspricht blauen Himmel und Sonnenschein. Das ist die Chance, auf die ich seit Monaten warte.
Der perfekte Standort
Die Suche nach einem geeigneten Kamera-Standort ist die nächste Herausforderung. Abgesehen davon, dass Halle (Saale) seit Monaten eine Großbaustelle ist, stellt sich die Frage: Wie überwinde ich den Höhenunterschied zum Gebäude? Und wie fotografiere ich durch die Bäume, die mittlerweile Blätter tragen?
Die Lösung finde ich im Hinterhof eines Hauses, dass zur Bank gehört, die Gabriele erwähnt hatte. Um den Höhenunterschied zu überwinden, parke ich mein Stativ auf den Müllcontainern 🙂
Von hier aus habe ich einen perfekten Blick auf die Uhr mit dem historischen Ziffernblatt.
Die Umsetzung
Der fotografische Teil
Die Kamera richte ich auf dem Stativ so aus, dass die Uhr möglichst mittig erscheint und wenig Verzerrungen entstehen. Dabei hilft mir die integrierte Wasserwaage im Liveview-Betrieb meiner Kamera.
Um die Uhr möglichst formatfüllend zu fotografieren, verwende ich ein Teleobjektiv (Nikkor 70-200 mm). Den VR-Schalter stelle ich auf AUS, weil die Bildstabilisierung bei der Verwendung eines Stativs kontraproduktiv ist. Ich zieh ja zuhause auch keine Badehose an, wenn ich in die Wanne steige.
Die Kameraeinstellungen sind unspektakulär.
Brennweite: 200 mm
Belichtungszeit: 1/400 sec. (manuell eingestellt, damit alle Fotos gleich belichtet sind)
Blende: f/5.6 (weil da mein Objektiv die beste Abbilungsleistung hat. Sowas kann man z.B. auf https://www.opticallimits.com nachlesen)
Ich verwende den Selbstauslöser mit zwei Sekunden Vorlaufzeit, um Verwacklungen beim Drücken des Auslösers zu vermeiden. Meinen Fernauslöser habe ich selbstverständlich zuhause vergessen 😉
Alles Weitere ist reine Fleißarbeit. Es müssen zwei Fotos im Abstand von ca. 30 Minuten gemacht werden, damit die Zeigerstellungen der Uhr verschieden sind. Nur so kann ich sie hinterher in Photoshop überlagern / rausschneiden.
Also heißt es: warten!
Da sich die Lichtverhältnisse nicht geändert haben, ist eine Korrektur der Belichtungseinstellungen vor Ort nicht notwendig. Alles Weitere entsteht in der Nachbearbeitung am Computer.
Die Nachbearbeitung
Ich beginne mit der RAW-Entwicklung in Adobe Lightroom. Viel zu tun gibt es hier nicht. Nur den Weißabgleich zwischen beiden Bildern muss ich synchronisieren. Den hätte ich zwar auch vor Ort manuell setzen können, aber ja: wie es halt immer so ist 🙂
Anschließend übergebe ich beide Fotos als Ebenen zur Bearbeitung in Photoshop.
Im ersten Schritt lasse ich beide Fotos automatisch ausrichten, um wirklich den exakt gleichen Bildausschnitt zu bekommen.
Im zweiten Schritt geht es darum, eine Ebene so zu maskieren, dass die Zeiger im Bild verschwinden. Wichtig ist, dass die erste Aufnahme oben und die Zweite unten liegt: Sonst hat man die Schatten der Zeiger im Bild. Ich hab es natürlich im ersten Anlauf falsch gemacht 🙂
Also alles auf Anfang. Neue Retusche, noch ein wenig Feinschliff an den Kontrasten. Aufwand ca. 30 Minuten. Und fertig ist das finale Bild: Ohne Zeiger!
Hier der Vorher-Nachher-Vergleich:
Das finale Bild entwickeln
Recherchiert man im Internet, so finden sich zahlreiche Anbieter, die Uhren mit eigenen Hintergrund-Fotos produzieren. Etwa bei fotoparadies.de oder yoursurprise.de
Wofür sich Gabriele letztlich entscheidet, ist noch offen. Gabriele! Wir wollen die finale Uhr an deiner Wand sehen 🙂
In diesem Sinne: Ich hoffe der kleine Einblick hat euch gefallen und inspiriert euch zu ähnlichen Projekten.
6 Kommentare
Toller Bericht und außergewöhnlicher „Auftrag“. Den Artikel habe ich mit Interesse gelesen.
LG Burkhard
Das freut mich, Burkhard 🙂
Hallo Thomas,
sehr schöner Bericht und coole Idee. Eine Frage stellt sich mir noch : Ist so ein abfotografieren und weiterverwenden (auch wenn es im privaten Raum ist) auch rechtlich sauber?
Hallo Sebastian,
danke für dein Feedback. Ich wüsste nicht, wo hier ein rechtliches Problem entstehen sollte. Was spricht denn dagegen, sich das Foto eines öffentlichen Gebäudes, bzw. Teilen davon an die private Wohnzimmerwand zu hängen? Die Panoramafreiheit? Ich glaube kaum!
Gruß
Thomas
Hallo Thomas,
vielen Dank für deine Antwort und ich finde das Thema sehr spannend.
Im Zusammenhang mit der Panoramafreiheit, bin ich nur auf dem Stand, dass man auf einen öffentlich zugänglichen Platz angewiesen ist. Für mich stellt sich die Frage, ob der Hinterhof einer Bank als öffentlicher Ort gilt.
Zudem besteht das Kunstwerk Uhr aus Bild mit Zeigern oder darf ich die Uhr in Zeiger und Ziffernblatt getrennt sehen, sprich das Weglassen der Zeiger ist keine Abänderung des Kunstwerks und damit kein Eingriff in die Arbeit des Künstlers?
Freue mich auf deine Erfahrungswerte zu diesem Thema und deinen Input.
Hallo Sebastian,
der Hinterhof der Bank ist Teil eines Parkplatzes, der jederzeit öffentlich behegbar ist. Kein Zaun, keine Tür. Insofern keine Gefahr für eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch 😉
Das Postgebäude selbst wurde 1892 bis 1898 erbaut. Den Architekt, Post-Baurat Klauwell können wir an dieser Stelle leider nicht mehr befragen. Die Uhr selbst kam übrigens erst viele Jahre später dazu, ca. um 1930. Auf der nachfolgenden Seite, gibt es ein paar Hintergrundinfos zum Gebäude, falls dich sowas interessiert:
https://www.halle-im-bild.de/fotos/infrastruktur/oberpostdirektion
Für alles weitere bin ich zu wenig Jurist – bzw. gar keiner. Da es sich um ein rein privates Vergnügen handelt, sehe ich auch keine Notwendigkeit der Sache nachzugehen.
Vielleicht findet sich aber ein Leser, der dazu mehr beitragen kann als ich.
Gruß
Thomas